Häufige Fragen und Antworten zum Mikrobiom
Auf dieser Seite finden Sie die Antworten unserer Expert:innen auf die Fragen der Teilnehmenden aus unserem Online-Seminar „Mikroben als Schlüssel für unsere Gesundheit“ im Rahmen des 63. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2023.
Auf dieser Seite finden Sie die Antworten unserer Expert:innen auf die Fragen der Zuschauer:innen aus unserem Online-Seminar „Mikroben als Schlüssel für unsere Gesundheit“ im Rahmen des 63. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2023.
Mikrobiom
Prof. Dr. Michael Schloter: Wie stabil oder dynamisch das Mikrobiom ist, hängt vom betrachteten Organ ab. Die Mikrobiome in Darm und Mund sind hochdynamisch, da sie durch die Ernährung stark beeinflusst werden. Dort verschieben sich regelmäßig die Häufigkeitsverhältnisse der Mikroorganismen. Diese Diversität ist wichtig. Fehlende Mikroorganismen können zu einer Dysbiose, also einem potenziell krankmachenden Mikrobiom führen. Andere Mikrobiome, wie das Lungenmikrobiom sind längst nicht so dynamisch wie das Darmmikrobiom, da es weniger von externen Faktoren wie der Ernährung beeinflusst wird.
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Diese Untersuchung ist nicht notwendig und hat somit auch keinen Platz in einer ärztlichen Untersuchungsroutine.
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Ein gesunder, pflanzenbasierter und abwechslungsreicher Speiseplan hilft dabei, das Mikrobiom in seiner Diversität und Komplexität zu erhalten oder gegebenenfalls wiederaufzubauen. Eine lokale Lebensmittelauswahl kann sich ebenfalls vorteilhaft auf das Darm-Mikrobiom auswirken. Lebensmittel, die über einen weiten Weg importiert wurden, können mehr Allergene enthalten.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Die Produktpalette an Probiotika mit unterschiedlichen Zusammensetzungen der Mikroorganismen ist groß. Da Probiotika zu den Nahrungsergänzungsmitteln zählen, müssen diese nicht den verpflichtenden und kontrollierten Zulassungsprozess von Arzneimitteln durchlaufen. Aus diesem Grund fehlen aussagekräftige Studien mit großen Teilnehmendenzahlen. So können keine konkreten Empfehlungen zur Einnahme von Probiotika gegeben werden. In der Regel sind Nebenwirkungen dieser Präparate sehr selten.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Nach einer einmaligen Einnahme von Antibiotikum beispielsweise bei einem Infekt, erholt sich das Darm-Mikrobiom in der Regel wieder. Auch das Risiko für Allergien oder Asthma wird dadurch nicht erhöht.
Prof. Dr. Michael Schloter: Bei der langfristigen Einnahme von Antibiotika verändert sich die Diversität der Mikroorganismen. Denn das Antibiotikum wirkt nicht nur gegen einen spezifischen Erreger, sondern immer gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen. Problematisch können in diesem Zusammenhang die noch seltenen Antibiotika-Resistenzen werden, da Mikroorganismen diese Resistenzen in sich tragen können.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Die Diversität des Mikrobioms lässt nach einer langfristigen Einnahme von Antibiotika wieder regenerieren, zum Beispiel durch eine gesunde Ernährung. Manche Studien deuten auch daraufhin, dass man durch Probiotika-Gabe den Aufbau eines vielfältigen Mikrobioms beschleunigen kann. Es liegt an den behandelnden Ärzt:innen abzuwägen, ob die Antibiotika-Gabe wirklich notwendig ist. Bei vielen Erkrankungen ist sie jedoch eine wichtige Therapieform und sogar unvermeidlich.
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Nach einer Koloskopie kann sich das Darmmikrobiom vorübergehend verändern. Bei gesunden Menschen normalisiert es sich jedoch wieder schnell.
Prof. Dr. Michael Schloter: Rückschlüsse auf die Auswirkungen bestimmter Chemikalien oder Umweltfaktoren auf das Mikrobiom sind schwer zu ziehen. Untersuchungen hierzu sind meist komplex. Es gibt also wenig belastbare Daten. Meistens führt die Vielfalt von Umwelteinflüssen zu einer Veränderung des Mikrobioms.
Mikrobiom und Erkrankungen
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung. Eine kausale Krankheitsursache durch das Mikrobiom ist nicht bekannt.
Es gibt erste Hinweise darauf, dass Mikroorganismen an der Aktivierung von Mastzellen beteiligt sind. Die Daten stammen jedoch meist aus Tier- oder Zellstudien. Rückschlüsse auf einen Zusammenhang des Mikrobioms mit dem Mastzellaktivierungssyndrom beim Menschen sind also nach aktuellem Wissensstand nicht möglich.
Quelle: De Zuani M. et al. Mast cells at the crossroads of microbiota and IBD. In: Eur. J. Immunol., 2018, 48: 1929-1937. https://doi.org/10.1002/eji.201847504
Die derzeitigen Erkenntnisse sprechen nicht für eine direkte ursächliche Rolle von Mikroben bei Sarkoidose. Auch der Zusammenhang des Mikrobioms mit Symptomen bei Sarkoidose ist derzeit unklar.
Quellen:
- Fukui S. Comparison of lung microbiota between antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitis and sarcoidosis. In: Sci Rep., 2020; 10(1):9466. https://doi.org/10.1038/s41598-020-66178-4
- Becker, A. P. Die Zusammensetzung des Mikrobioms bei Sarkoidose (Doktorarbeit), 2020, https://doi.org/10.22028/D291-34296
- Inaoka, P.T et al. Host-microbe interactions in the pathogenesis and clinical course of sarcoidosis. In: J Biomed Sci, 2019, 26, 45, https://doi.org/10.1186/s12929-019-0537-6
Hautpflege und Hautmikrobiom
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Durch die Veränderung des pH-Wertes der Haut kann auch das Mikrobiom beeinflusst werden. Studien haben gezeigt, dass ein eher saurer pH-Wert zu einer niedrigen Staphylococus aureus- Besiedlung auf der Haut führt. Eine basische Hautpflege kann verwendet werden. Grundsätzlich ist Hautpflege wichtig, um das Haut-Mikrobiom bzw. die Hauthomöostase (inneres Gleichgewicht der Haut) zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen.
Es gibt eine Verbindung zwischen Hautmikrobiom und Darmmikrobiom. Wie diese im Detail aussieht, ist jedoch noch nicht ganz klar. Studien zur Ergründung dieser Verbindung laufen derzeit.
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Topisches Kortison und auch Calcineurin-Hemmer wirken antientzündlich. Durch die Hemmung der Entzündung normalisiert sich auch das Haut-Mikrobiom. Bei systemischen Therapien, etwa zur Behandlung einer schweren Neurodermitis, sollte die Haut immer mitbehandelt werden. Der Grund: Die Regulierung des Hautmikrobioms erhöht die Ansprechraten der Systemtherapien.
Allergien und Allergievorbeugung
Prof. Dr. Erika von Mutius: Der Bauernhof-Effekt als vielversprechendes Mittel zur Allergievorbeugung greift bei bereits bestehenden Allergien nicht mehr. Für Menschen, die unter Allergien leiden, ist ein Urlaub auf dem Bauernhof nicht empfehlenswert, da sich die Beschwerden dort verstärken könnten.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Die "Bauernhoftablette" ist ein Nahrungsergänzungsmittel. Die Studiendaten lassen derzeit keine Aussagen zur Wirksamkeit zu. Auch Fragen zur Dosis und zu etwaigen Nebenwirkungen sind noch offen. Mit dem Mikrobiom hat die Tablette allerdings wenig zu tun. Sie enthält Beta-Lactoglobulin, in dem Eisen, Zink und Vitamin A gebunden sind, welches den Eisenstoffwechsel in der Zelle verändert.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Infekte trainieren das Immunsystem. So gibt es Hinweise darauf, dass Kinder mit vielen Geschwistern oder Kinder, die in die Krippe gehen, besser vor Asthma geschützt sind. Während der Lockdowns hat dieses „Training“ nicht stattgefunden. Die Folge waren schwere Erkältungswellen. Nun muss beobachtet werden, wie sich die Lockdowns langfristig auf die Allergiehäufigkeit auswirken.
Früher dachte man auch, es sei wichtig, Allergene zu vermeiden. Heute weiß man: Die Toleranzentwicklung ist ein aktiver Prozess, den das Immunsystem durchlaufen muss, um zu lernen.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Rohmilch zur Allergieprävention ist nicht empfehlenswert, da sie potenziell krankmachende Keime, wie zum Beispiel EHEC enthalten kann.
Prof. Dr. Erika von Mutius: Generell ist Stillen empfehlenswert. Nach vier bis sechs Monaten sollte die Beikost eingeführt werden. Diese sollte möglichst divers gehalten werden, um die Reifung des Darmmikrobioms zu ermöglichen.
Glossar
Die Vielfalt aller angesiedelten Mikroben (Pilze, Bakterien, Viren) in einem Körperbereich oder Organ nennt man Mikrobiota. Unter Mikrobiom versteht man darüber hinaus das Erbgut (Genom) dieser Mikroorganismen und ihre Wechselwirkungen mit dem Körper.
Unter Probiotika beziehungsweise probiotischen Lebensmitteln versteht man Produkte mit speziellen Bakterienkulturen. Diese Bakterienkulturen kommen unzersetzt durch den Magen und sollen so im Darm ihre Wirkung entfalten. Der Nutzen für die Gesundheit ist derzeit nicht belegt. Für gesunde Menschen ist eine Einnahme unbedenklich. Bei chronischen Erkrankungen sollte die Einnahme mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Dysbiose ist der Fachbegriff für eine Schieflage im mikrobiellen Ökosystem. In einer gesunden Lunge oder einem gesunden Darm siedeln zahlenmäßig wenige, aber vielfältige Bakterienarten. Bei bestimmten Erkrankungen lassen sich oft deutlich mehr Bakterien nachweisen. Allerdings sind es dann Mikroben einiger weniger Arten, welche sich in dem Organ ausbreiten. Die mikrobielle Dichte nimmt zwar zu, die Vielfalt jedoch ab. Das gilt nicht nur für akute Infektionen, sondern auch für chronische Lungenkrankheiten.
Letzte Aktualisierung: Mai 2023