DNA helix 3D illustration

Wohin geht die Forschung?

Immer mehr Forschungsergebnisse belegen, dass bereits im Mutterleib epigenetische Prozesse wie die DNA-Methylierung oder HAT-Modifizierungen die Entwicklung des Ungeborenen steuern. Sie stehen nicht nur in Zusammenhang mit der Entstehung von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Auch verdichten sich die Hinweise, dass eine solche frühe epigenetische Programmierung auch für die spätere Entstehung von Asthma oder COPD eine Rolle spielen kann.

Wissenschaftliche Beratung:
Dr. Stefan Dehmel, Abteilung Strategie, Programme und Ressourcen, Helmholtz Zentrum München
Dr. Klaus Rehmann, Abteilung Strategie, Programme und Ressourcen, Helmholtz Zentrum München

Langfristiges Ziel der epigenetischen Forschung ist es, Medikamente zur Therapie von chronischen Krankheiten zu entwickeln. Am besten untersucht sind Wirkstoffe, die in epigenetische Prozesse bei der Krebsentstehung eingreifen. Im Fokus stehen derzeit vor allem zwei Substanzklassen:

  • Hemmstoffe der DNA-Methyltransferase (DNMT-Inhibitoren) und
  • Hemmstoffe der Histondeacetylasen (HDAC-Inhibitoren)

Während DNMT-Inhibitoren die DNA-Methylierung bremsen, kehren HDAC-Inhibitoren wie beispielsweise Valproinsäure oder Trichostatin A die Deacetylierung der Histone um. In den USA sind bereits erste epigenetisch wirksame Medikamente zur Behandlung bestimmter Tumorkrankheiten auf dem Markt, etwa der HDAC-Hemmer Vorinostat und der DNMT-Inhibitor 5-Azacytidin. In Deutschland ist seit 2012 der DNA-Methyltransferase-Inhibitor Decitabin zur Behandlung akuter myeloischer Leukämie (AML) bei Patienten über 65 Jahren zugelassen.

Weitere Hoffnung setzen Forscher auf EZH2, ein epigenetisch aktives Enzym. Krebspatienten mit hohen Gehalten an EZH2 in den Tumorzellen leiden häufig unter besonders bösartigen Krebsformen. Denn das Enzym macht Gene, die Zellen vor Krebs schützen, inaktivierbar. Wenn es also gelänge, einen Wirkstoff zu entwickeln, der EZH2 hemmt, könnten bestimmte Krebsformen zielgerichteter damit behandelt werden. Wissenschaftler aus den USA haben herausgefunden, dass zu den behandelbaren Formen auch der nichtkleinzellige Lungenkrebs zählt.

Tumore noch besser charakterisieren

Bei der Behandlung von Krebs ist es oft auch von großer Bedeutung, die genaue Art des Tumors und im Speziellen die molekularen Eigenschaften der Tumorzellen zu kennen. Ein Team aus Heidelberg stellte vor kurzem im Fachmagazin ‚Nature‘ eine neue computerbasierte Methode vor, mit der die Charakterisierung von Tumoren im zentralen Nervensystem (ZNS) möglich sein soll. Sie analysierten dafür die DNA-Methylierungs-Muster von ZNS-Tumorzellen, die sich je nach Ursprung des Tumors unterscheiden. So entwickelten sie schließlich ein computergestütztes Berechnungssystem, mit dem sich 82 verschiedene Arten von ZNS-Tumoren unterschieden lassen. Die Methode könnte künftig die mikroskopische Charakterisierung von Tumorzellen unterstützen und so auf lange Sicht auch die Therapie durch gezielte Behandlungsmöglichkeiten verbessern.  

Die Epitranskriptomik

Ein Bereich der Epigenetik, der in den letzten Jahren ebenfalls Fortschritte gemacht hat, ist die sogenannte Epitranskriptomik. Dieser Forschungszweig untersucht nicht die chemischen Veränderungen der DNA, sondern Modifikationen an der RNA, einem Zwischenprodukt, das bei der Produktion von Proteinen benötigt wird. Untersuchungen konnten bereits zeigen, dass Methylgruppen an einer bestimmten Base der RNA, dem Adenin, eine entscheidende Rolle bei der Zelldifferenzierung spielen. So bleiben Zellen, denen diese spezielle Markierung fehlt, in ihrer Entwicklung stecken und schaffen es nicht, sich zu spezialisierten Zellen zu entwickeln. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Adenin-Methylierung auch an der Entstehung von Krebs und Fettleibigkeit (Adipositas) beteiligt sein könnte.

Experten geben jedoch zu bedenken, dass bisher der Nachweis fehlt, ob die RNA-Markierungen auch von einer Zellgeneration zur nächsten weitergegeben werden, was eine wichtige Eigenschaft epigenetischer Veränderungen sei. Die Epitranskriptomik steht somit noch eher am Anfang. Mit der Entwicklung neuer Forschungsmethoden wird es in Zukunft aber sicher auch hier viele neue Erkenntnisse geben.

Epigenetische Wirkstoffe: Noch viele Fragen offen

Trotz der Forschungserfolge sind bei der Entwicklung epigenetisch basierter Therapien noch viele Fragen offen. Die Mechanismen der HDAC-Hemmer beispielsweise sind bisher noch weitgehend unklar. Kaum untersucht ist außerdem, ob epigenetisch wirksame Substanzen auch die normale Zellphysiologie verändern oder chemotherapeutische Therapien beeinflussen. Bis Medikamente, die in epigenetische Prozesse eingreifen, in Deutschland breite Anwendung finden, werden voraussichtlich noch mehrere Jahre vergehen.

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Quellen

  • Siebenand, S.: Neuer Angriffspunkt in der Krebstherapie. In Pharmazeutische Zeitung, 2008
  • Deutsche Apotheker Zeitung: Decitabin zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie. (letzter Abruf 17.05.2018)
  • Christofides, A. et al.: Epigenetic regulation of cancer biology and anti-tumor immunity by EZH2. Oncotarget. 2016 Dec 20; 7(51): 85624–85640.
  • David Capper et al. DNA methylation-based classification of central nervous system tumours. Nature, 2018; DOI: 10.1038/nature26000
  • C. Willyard: Ein neuer Dreh in der Epigenetik. Spektrum der Wissenschaft, 7.3.2017

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