Grundlagen
Die Lunge kommt Tag für Tag mit Viren, Bakterien und Pilzen in Kontakt: Sie befinden sich in der Atemluft, aber auch in kleinsten Speicheltröpfchen und Sekreten aus Nase und Rachen, die wir einatmen (Mikroaspiration). Viele davon beseitigt der Körper rasch – etwa durch Selbstreinigungsmechanismen der Atemwege (mukoziliäre Clearance), Abhusten und Zellen der Immunabwehr. Einige jedoch siedeln dauerhaft in der Lunge. Diese Lebensgemeinschaft aus Mikroorganismen bezeichnen Wissenschaftler:innen als Lungenmikrobiom.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Erika von Mutius, Helmholtz Munich, Klinikum der Universität München
Die Lunge kommt Tag für Tag mit Viren, Bakterien und Pilzen in Kontakt: Sie befinden sich in der Atemluft, aber auch in kleinsten Speicheltröpfchen und Sekreten aus Nase und Rachen, die wir einatmen (Mikroaspiration). Viele davon beseitigt der Körper rasch – etwa durch Selbstreinigungsmechanismen der Atemwege (mukoziliäre Clearance), Abhusten und Zellen der Immunabwehr. Einige jedoch siedeln dauerhaft in der Lunge. Diese Lebensgemeinschaft aus Mikroorganismen bezeichnen Wissenschaftler:innen als Lungenmikrobiom.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Erika von Mutius, Helmholtz Munich, Klinikum der Universität München
Was ist das Mikrobiom der Lunge?
Während die Forschung über das Mikrobiom der Haut und des Darms schon vieles aufgedeckt hat, ist sie auf dem Gebiet der Lungenmikroben noch recht jung. Beim US-amerikanischen Human Microbiome Project zur Entschlüsselung des menschlichen Mikrobioms stand im Auftaktjahr 2007 die Lunge nicht einmal auf der Liste der Forschungsfelder – auch, weil es schwierig war, überhaupt entsprechende Proben des Lungenmikrobioms zu entnehmen.
Dank moderner Techniken ist heute bekannt: Auch in der Lunge leben zahlreiche und vielfältige Mikroorganismen, etwa 103 bis 105 pro Gramm Lungengewebe. Das klingt nach einer sehr hohen Zahl, doch im Vergleich mit anderen Körperregionen – auch den oberen Atemwegen – ist die Lunge dünn besiedelt, denn Bakterien finden hier nur ein spärliches Nährstoffangebot. Die vertretenen Arten zählen überwiegend zu den Proteobacteria, Firmicutes and Bacteroidetes.
Welche Funktion hat das Mikrobiom in den Atemwegen?
Trotz ihrer eher geringen Zahl übernehmen die Mikroben in der Lunge viele wichtige Funktionen. Wie in anderen Körperregionen verhindern die sogenannten kommensalen („guten“) Bakterien, dass sich Krankheitserreger festsetzen. Fachleute nennen das auch Kolonisationsresistenz.
Das genaue Zusammenspiel von Mensch und Mikroben ist sehr komplex und bislang nur ansatzweise verstanden. Studien an Menschen und Mäusen deuten darauf hin, dass einige kommensale Bakterienarten differenziert mit dem menschlichen Immunsystem kommunizieren – teilweise über ihre Oberflächenproteine, teilweise über Stoffwechselprodukte wie kurzkettige Fettsäuren. Sie können unterschiedliche Immunzellen aktivieren und damit Entzündungsprozesse anstoßen, aber auch herunterregulieren.
Die Bakterien interagieren auch untereinander sowie mit Viren und Pilzen, die in den Atemwegen siedeln. Hier steht die Forschung noch ganz am Anfang. Auch die Rolle von Pilzen und Viren im Ökosystem Lunge ist bisher nur teilweise verstanden. So sind spezifische Pilze offenbar typisch bei bestimmten Atemwegserkrankungen. Andere scheinen die gesunde bakterielle Gemeinschaft zu unterstützen und dabei zu helfen, sie nach einer Antibiotikabehandlung wieder aufzubauen.
Wie entwickelt sich das Mikrobiom der Lunge?
Bereits während der Geburt und mit den ersten Atemzügen kommt die Lunge eines Neugeborenen mit zahlreichen Mikroorganismen in Berührung. Wenige Stunden nach der Geburt besiedeln die ersten Bakterien die Atemwege. Deren zunächst etwas unstrukturierte Zusammensetzung wird in den ersten sieben Lebenswochen immer vielfältiger und stabilisiert sich danach.
Bei Frühgeborenen siedeln oft etwas andere Bakterien als bei reifgeborenen Säuglingen. Forschende führen das darauf zurück, dass die Mikroben hier besondere Lebensbedingungen vorfinden; etwa deutlich weniger Surfactant – eine Emulsion, welche die Lungenbläschen (Alveolen) überzieht. Auch zwischen vaginal und per Kaiserschnitt geborenen Babys unterscheidet sich die Mikrobiota, wobei die Abweichungen eher klein sind.
In den ersten Lebensmonaten und -jahren entwickelt sich das Lungenmikrobiom dynamisch weiter. Wichtige Einflussfaktoren sind,
- ob ein Kind gestillt wird,
- welche Impfungen es erhält und
- welche Infektionen es durchmacht.
Aber auch Zigarettenrauch, Kontakt zu anderen Kindern und sogar die Jahreszeit wirken sich auf das Mikrobiom der kindlichen Atemwege aus. Münchener Forschende zeigten in Zusammenarbeit mit Helmholtz Munich in einer Studie, dass sich das Lungenmikrobiom auch bei jungen Mäusen durch äußere Einflüsse noch sehr dynamisch verändert, während es bei erwachsenen Tieren eher stabil bleibt.
Quellen
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Letzte Aktualisierung: 08.02.2023