Skip to main content

Mandeln entfernen – Ja oder nein?

Werden Kindern die Gaumen- und/oder Rachenmandeln vor dem zehnten Lebensjahr entfernt, leiden sie im späteren Leben häufiger unter Atemwegskrankheiten, Infektionen und Allergien. Das zeigt eine große Bevölkerungsstudie aus Dänemark.

Rachen- und Gaumenmandeln (umgangssprachlich auch als Polypen bezeichnet) sind wichtige Bestandteile der ersten Abwehrbarriere. Sie sollen unseren Körper vor Viren, Bakterien oder Pilzen schützen, die über Mund oder Nase eindringen. Eine therapeutische Lösung gegen häufige Mandelentzündungen ist nicht selten eine Mandelentfernung (Tonsillektomie und/oder Adenotomie). Welche langfristigen Folgen eine solche Operation haben kann – besonders im Hinblick auf die wichtige Rolle der Mandeln bei der Entwicklung und Funktion desImmunsystems – wurde bisher jedoch kaum untersucht. Ein Wissenschafts-Team ist dieser Frage nun nachgegangen.

Insgesamt analysierten die Forschenden Registerdaten von mehr als 1,1 Millionen Personen. Untersucht wurde, ob Studienteilnehmer, denen vor dem 10. Lebensjahr die Gaumen- und/oder Rachenmandeln entfernt wurden, bis maximal zum 30. Lebensjahr häufiger wegen bestimmter Krankheiten behandelt wurden, als Personen ohne eine solche Operation.

Höheres Risiko für Atemwegserkrankungen, Infektionen und Allergien

Besonders deutlich war das Ergebnis für Infektionen der oberen Atemwege: Wurden den Kindern die Rachenmandeln entfernt, bestand ein fast zweimal höheres Erkrankungs-Risiko, verglichen mit der Kontrollgruppe (relatives Risiko). Nach der Entfernung der Gaumenmandeln, war das Risiko sogar fast dreimal so hoch, sodass auf fünf Tonsillektomien (Entfernung der Gaumenmandeln) statistisch ein Kind kommt, das später zusätzlich an oberen Atemwegserkrankungen leidet. Weniger groß, aber dennoch signifikant, war auch der Anstieg des relativen Risikos für

  • allergische Erkrankungen und Infektionen im Allgemeinen,
  • Asthma, sowie für
  • COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung).

Bedacht werden muss jedoch, dass das absolute Risiko, also die Wahrscheinlichkeit tatsächlich eine dieser Krankheiten zu entwickeln, immer davon abhängig ist, wie oft die Erkrankung generell in der Bevölkerung auftritt. So zeigte sich für COPD beispielsweise kein erhöhtes absolutes Risiko, da die Krankheit in der untersuchten Bevölkerungsgruppe (bis maximal 30 Jahre) generell sehr selten ist.

„Schaden/Nutzen vor Mandelentfernung genau abwägen“

Eindeutige Vorteile brachte die Entfernung der Mandeln lediglich bei Schlafstörungen und chronischer Mandelentzündung. Da die Studie, nach Aussage der Autoren, die erste dieser Art ist, lassen sich die Ergebnisse zwar nicht vergleichen und weitere große Langzeitstudien seien nötig, dennoch raten sie aufgrund ihrer Arbeit dazu, vor einer Mandeloperation genau abzuwägen, ob der Eingriff wirklich nötig ist, oder ob es andere Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Quellen:

Byars, A. G. et al.: Association of Long-Term Risk of Respiratory, Allergic, and Infectious Diseases With Removal of Adenoids and Tonsils in Childhood. In: JAMA Otolaryngol Head Neck Surgery. Online publiziert am 7. Juni 2018

Ärzteblatt.de: Tonsillektomie und Adenotomie könnten spätere Anfälligkeit auf Infektionen und Allergien fördern. 8. Juni 2018