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Chronisch krank und doch gesünder

Sind manche Menschen trotz ihrer chronischen Lungenerkrankung besser vor Atemwegsinfektionen geschützt? Hinweise darauf fanden deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt im Tiermodell und veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift ‚Scientific Reports‘. Sie zeigen, dass durch die chronische Entzündung in der Lunge vermehrt Antikörper auf die Lungenschleimhaut transportiert werden. Diese schützen die Lunge besser vor gefährlichen Erregern.

Chronische Lungenerkrankungen wie Asthma oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst und die Ursachen können vielfältig sein. Allen chronischen Lungenkrankheiten gemein sind Veränderungen der Lungenstruktur und der Lungenfunktion. Da das geschädigte Lungengewebe oft keinen ausreichenden Schutz mehr vor Krankheitserregern in der Luft bietet, sind Betroffene oft besonders anfällig für teils schwere Atemwegsinfektionen wie zum Beispiel einer Lungenentzündung ausgelöst durch das Bakterium Streptococcus pneumoniae.

Mehr Antikörper in der Lungenschleimhaut

Es habe aber den Anschein als seien manche Menschen trotz ihrer chronischen Lungenerkrankung besser vor Erregern geschützt, sagen die Autoren der aktuellen Studie. Denn einige Betroffene haben deutlich seltener Infektionen oder blieben sogar ganz verschont. Der Erklärung, warum dies so sein könnte, sind die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Universität Magdeburg jetzt vielleicht ein Stück näher gekommen. Bei der Analyse von Tieren mit chronisch entzündeten Lungen fanden sie auf der Lungenschleimhaut sehr viel mehr Antikörper als in gesunden Tieren. Außerdem waren die Mäuse mit Lungenerkrankung besser vor einer Infektion mit Streptococcus pneumoniae geschützt. Wahrscheinlich können die Krankheitserreger durch die vielen Antikörper schon früh gebunden und abgefangen werden, noch bevor sie dem Körper Schaden zufügen, teilt das HZI mit.

Die Autoren fanden auch heraus, wie es zu der hohen Konzentration an Antikörpern auf der Lungenschleimhaut kommen könnte. In ihren Versuchen wiesen sie nach, dass ein bestimmtes Protein pIgR (polymerer Immunglobulin-Rezeptor) auf Epithelzellen, also der Oberfläche der entzündeten Lungen, in besonders großer Menge produziert wird. PIgR ist ein sogenanntes Transportprotein, das Antikörper aus dem Lungengewebe in den Innenraum der Lungenbläschen transportiert. Je mehr Protein vorhanden ist, desto mehr schützende Antikörper werden also auf die Lungenschleimhaut abgegeben. Möglicherweise können so einige Betroffene die Infektionen durch den erhöhten Antikörperschutz abwehren, während andere schutzlos bleiben, vermuten die Autoren. Ob pIgR aber tatsächlich auch im Menschen in zu großer Menge produziert wird, muss erst in weiteren Studien geklärt werden.

Prophylaktischer Schutz vor Lungenentzündung?

Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass jeder Patient individuell untersucht werden müsse, denn es sei anzunehmen, dass dieser zusätzliche Schutz vor Infektionen nur bei schwächer ausgeprägten chronischen Entzündungen vorhanden ist, nicht aber bei schweren Entzündungsverläufen. In weiteren Studien wollen die Forscher nun herausfinden, ob die pIgR-Produktion gezielt angeregt werden kann. So könnte in Zukunft vielleicht ein neuer Behandlungsansatz entwickelt werden, der vielen Betroffenen einen prophylaktischen Schutz gegen verschiedene Erreger von Atemwegsinfektionen bieten kann.

Quellen:

Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI): Chronisch krank und doch gesünder - HZI-Forscher weisen in chronisch entzündeten Lungen erhöhten Schutz vor Krankheitserregern nach. Pressemitteilung vom 10.7.2017

Boehme J. D. et al.: Chronic lung inflammation primes humoral immunity and augments antipneumococcal resistance. In:  Scientific Reports, online publiziert am 10. Juli 2017