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Lungs preparation
Michael Haggenmueller

Asthma bei Kindern und Jugendlichen

Besonderheiten der Asthma-Symptome bei Kindern und Jugendlichen

Grundsätzlich können bei Kindern und Jugendlichen die gleichen Asthma-Symptome auftreten wie bei Erwachsenen.

Allerdings kommen bei Kindern bis fünf Jahre häufig episodisch auftretende Verengungen der Atemwege vor, ohne dass es sich um ein Asthma bronchiale handeln muss. Dies geschieht vor allem bei Atemwegsinfekten. Spätestens bis zum Schulalter normalisiert sich dies wieder. Klinisch sind die Beschwerden allerdings nur schwer von einem echten Asthma zu unterscheiden.

Für die Diagnose spielt daher die Anamnese eine besondere Rolle, bei der unter anderem persönliche Risikofaktoren geklärt werden, zum Beispiel

  • atopische Erkrankungen beim Kind oder in der Familie,
  • bestehende (nachgewiesene) Allergien,
  • Asthma-Symptome außerhalb von Infekten, zum Beispiel bei körperlicher Belastung.

Kinder und Jugendliche, bei denen das Asthma nicht rechtzeitig festgestellt und behandelt wird, können außerdem mangelernährt und ihr Wachstum beeinträchtigt sein. Bei schwerem Asthma sind Verformungen des Brustkorbs durch eine starke Überblähung der Lunge möglich.

Video-Interview: Kindliches Asthma: Entstehung, Behandlung und Prognose

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Der Lungeninformationsdienst hat Prof. Erika von Mutius gefragt, welches die Besonderheiten kindlichen Asthmas sind, wie es behandelt wird, welche Risikofaktoren es gibt und wie die Prognose ist. Erika von Mutius leitet das Environmental Health Center bei Helmholtz Munich und ist Oberärztin am Dr. von Haunerschen Kinderspital, Klinikum der Universität München.

Wie stellt man Asthma bei Kindern fest?

Die Diagnose von Asthma bronchiale basiert auch bei Kindern und Jugendlichen (circa 5 bis 16 Jahre) auf folgenden Pfeilern:

  • Anamnese, bei der Art, Häufigkeit und Zeitpunkt der Beschwerden abgeklärt und andere allergische Erkrankungen beim Kind und auch der anderen Familienmitglieder abgefragt werden.
  • Körperliche Untersuchung mit Abhören der Lunge
  • Hinweise auf Asthma in mindestens zwei von drei Tests: Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie), Reversibilitätstest und FeNo-Test
  • Abklären einer Allergie als möglicher Auslöser, zum Beispiel mit einem Picktest oder einer Blutuntersuchung

Im Vergleich zu Erwachsenen gibt es jedoch bei Kindern einige Besonderheiten, durch die die Asthma-Diagnose vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern oft erst im Verlauf gestellt werden kann.

Lungenfunktionstest bei Kindern eingeschränkt möglich

Bei kleinen Kindern bis zum Alter von vier oder fünf Jahren ist es oft nicht möglich, einen Lungenfunktionstest durchzuführen, da dieser eine gewisse Mitarbeit der Untersuchungsperson erfordert. Kleinen Kindern fällt es manchmal schwer, auf die erforderliche Weise in das Gerät auszuatmen.

Spezialisierte Einrichtungen

Generell ist bei Kindern während der Lungenfunktionsprüfung mehr Geduld, Motivation und Übung nötig als bei Erwachsenen. Kindgerechte Software, bei der die Kinder etwa virtuelle Kerzen auspusten dürfen, erleichtern den Test in einer kinderpneumologisch ausgerichteten Praxis oder Klinik erheblich. Es gibt auch Kliniken, die sich auf Lungenfunktionsprüfungen von Säuglingen spezialisiert haben.

Sauerstoffsättigung und Reversibilitätstest bei Babys und Kleinkindern

Bei Babys und Kleinkindern mit schwerer Atemwegsverengung (Obstruktion) kann die Sauerstoffsättigung im Blut ergänzend auch pulsoxymetrisch bestimmt werden. Dabei muss kein Blut abgenommen werden. Der Sauerstoffgehalt wird mit Hilfe von Sensoren und Lichtwellen durch die Haut gemessen.

Ist beim Abhören der Lungen eine Atemwegsverengung erkennbar, ist ein Reversibilitätstest möglich, indem erneut abgehört wird, nachdem das Kind ein kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum eingeatmet hat.

Besonderheiten von Provokationstests im Kindes- und Jugendalter

Eine nasale Provokation, bei der die das Asthma auslösende Substanz eingeatmet wird, ist in spezialisierten Praxen oder Kliniken mögliche. Bronchiale Provokationen mit Allergenen empfiehlt die Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma dagegen nicht.

Differentialdiagnosen: Andere Ursachen ausschließen

Um sicher zu sein, dass es sich auch wirklich um Asthma handelt, ist es wichtig, andere Erkrankungen als mögliche Ursachen für die bestehenden Symptome auszuschließen. Medizinisch spricht man in diesem Zusammenhang von Differentialdiagnosen.

Mögliche Differentialdiagnosen bei Asthma

Mögliche Differentialdiagnosen bei Kindern und Jugendlichen. Mod. nach: Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma

Klinischer Hinweis

 

Mögliche Diagnose

Anamnese (Krankengeschichte)

Symptome seit der Geburt, Atemprobleme im Zeitraum um die Geburt (peripartal)

Cystische Fibrose (Mukoviszidose), Bronchopulmonale Dysplasie, Primäre ciliäre Dysfunktion, angeborene Lungenfehlbildung

Lungenerkrankungen in der Familie

Mukoviszidose, neuromuskuläre Erkrankungen, Immundefekte, Primäre ciliäre Dysfunktion

Plötzliches Auftreten ohne vorherige Probleme

Eingeatmeter Fremdkörper

Symptome

 

 

 

 

 

 

 

 

Fieber, obere Atemwegssymptome

Akuter Atemwegsinfekt

Husten mit Schleimbildung

Mukoviszidose, Primäre Ciliäre Dysfunktion, Bronchiektasen, fortgeschrittene bakterielle Bronchitis, Immundefekt

Nächtliche Symptome, verstärkte Spuckneigung

Obere Atemwegsprobleme, Reflux-Krankheit

Anfallartiger Husten

Keuchhusten (Pertussis), Hyperreagibilität nach Atemwegsinfekten, Schluckstörungen

Kurzatmigkeit mit Schwindel

„falsche“ Atmung, z.B. Hyperventilation

Pfeifen beim Ein- und/oder Ausatmen

Angeborene Fehlbildungen, Entzündungen des Rachens oder der Luftröhre

Stimmveränderungen, Heiserkeit

Rachenprobleme, Reflux-Krankheit

Gedeihstörungen

Mukoviszidose, Reflux-Krankheit, interstitielle Lungenerkrankung

Untersuchungsbefunde

Lokalisierte Veränderungen in der Röntgenaufnahme

Angeborene Fehlbildungen, Mukoviszidose, Veränderungen nach Atemwegsinfekten, eingeatmete Fremdkörper, Bronchiektasen, Tuberkulose

 

Asthmaanfall bei Kindern und Jugendlichen behandeln – Selbsthilfemaßnahmen

Tritt ein Asthmaanfall bei Kindern auf, ist dies oftmals eine beängstigende Situation. Deshalb ist es wichtig, mit den behandelnden Ärzt:innen einen persönlichen Notfallplan zu entwickeln.

Um im Ernstfall richtig handeln zu können, ist eine Patientenschulung umso wichtiger. Dabei werden Selbsthilfemaßnahmen erklärt und eingeübt:
1.    Ruhe bewahren!
2.    Wie schwer ist der Asthmaanfall? Kann das Kind noch sprechen? Lässt sich der Peak-Flow-Wert messen und wie hoch ist er?
3.    Wenden Sie das Asthma-Spray mit dem Bedarfsmedikament an, zum Beispiel zwei bis vier Sprühstoße SABA-Spray. Prüfen Sie sonstige Maßnahmen dem Notfall-Plan.
4.    Leiten Sie das Kind zur Lippenbremse an beziehungsweise helfen Sie ihm in eine Körperhaltung, die das Durchatmen erleichtert.
5.    Wenn sich die Atemnot nach 10 bis 20 Minuten nicht bessert, wenden Sie erneut die Bedarfsmedikation an und geben Sie gegebenenfalls Cortison-Tabletten
6.    Wenn die Selbsthilfemaßnahme nicht wirken oder ein potenziell lebensbedrohlicher Notfall vorliegt, rufen Sie den Rettungsdienst! Wenn Sie unsicher sind, hilft auch der ärztliche Bereitschaftsdienst (in Deutschland: 116 117) weiter.

Asthma-Therapie: Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen

Auch bei Kindern und Jugendlichen ist für die Wahl der Asthma-Therapie der Grad der Asthma-Kontrolle entscheidend. Dieser wird gemäß den Nationalen VersorgungsLeitlinie jedoch enger gefasst als bei Erwachsenen.

Früher Beginn der Asthma-Therapie kann Langzeitschäden vermeiden

Die Therapie sollte bei Kindern mit Asthma möglichst frühzeitig beginnen. Das ist wichtig, um Langzeitschäden zu vermeiden. Außerdem kann sich unbehandeltes Asthma immer weiter verschlimmern. Wichtigstes Ziel aller Therapie-Maßnahmen ist die Beschwerdefreiheit der Kinder.

Es gibt ein spezielles Stufenschema für Kinder und Jugendliche, das sich vor allem durch eine zusätzlich sechste Therapiestufe vom Schema für Erwachsene unterscheidet.

Das Stufenschema für Kinder und Jugendliche ist in der Nationalen VersorgungsLeitlinie Asthma (NVL) detailliert beschrieben.

Kombination aus Bedarfs- und Langzeitmedikamenten als Therapie-Grundlage

  • Grundlage der Therapie bilden – wie auch bei Erwachsenen – die zwei Medikamenten-Hauptgruppen Bedarfsmedikamente (Reliever) und Langzeitmedikamente (Controller).
  • In der ersten Therapiestufe kommen Bedarfsmedikamente zum Einsatz (SABA-Spray zum Inhalieren, bei Kindern ab zwölf gegebenenfalls auch eine Fixkombination aus niedrig dosiertem Cortison und Formoterol).
  • Ab Stufe 2 kommt regulär eine Langzeittherapie hinzu, um das Entzündungsgeschehen zu kontrollieren.
  • Cortison-Sprays sind auch für Kinder derzeit die zuverlässigsten Langzeitmedikamente zur Asthma-Behandlung. Da sie direkt in den Atemwegen wirken, können sie wesentlich geringer dosiert werden als Cortison-Tabletten.

Bei der Behandlung von Kindern mit Asthma ist die richtige ärztliche Betreuung wichtig:

  • Benötigt ein Kind die Therapiestufe 4, sollte die Betreuung durch einen erfahrenen Kinderpneumologen erfolgen.
  • Ab Therapiestufe 5 wird empfohlen, ein kinderpneumologisches Zentrum aufzusuchen.

Besonderheiten der Inhalationstherapie bei Kindern

Wichtig ist, dass die Asthma-Medikamente auch in den Atemwegen ankommen. Da die korrekte Handhabung der Inhalatoren insbesondere für Kinder schwierig ist, stehen Inhalierhilfen, auch Vorschaltkammer oder „Spacer“ genannt, zur Verfügung.

Spacer mit und ohne Gesichtsmaske

Ein Spacer ist eine Art Mundstück mit einer größeren Luftkammer. Er wird auf das Dosieraerosol aufgesetzt. Durch einen Sprühstoß füllt sich der Spacer mit Tröpfchen. Der Inhalt der Kammer wird anschließend eingeatmet. Dies erleichtert es den Kindern, die Asthma-Medikamente zu inhalieren, denn die Koordination zwischen Einatmen und gleichzeitigem Auslösen der Inhalators entfällt.

Bei Kleinkindern bis drei Jahre kann eine Gesichtsmaske auf den Spacer aufgesetzt werden. Dies erleichtert die Inhalation – allerdings gelangt auch weniger von dem Asthma-Spray tatsächlich in die Lungen. Ab einem Alter von etwa drei Jahren sollten Kinder daher über das Mundstück inhalieren.

Weitere Inhaliersysteme für Kinder mit Asthma

  • Für die Akuttherapie kann zu Hause ein elektrisches Inhaliergerät für Kinder, ein sogenannte Düsenvernebler, eingesetzt werden.
  • Ein Pulverinhalator wird meist erst ab etwa zehn Jahren eingesetzt.

Mit einem Pulverinhalator ist es möglich, die Medikamente ohne zusätzliche Treibmittel zu inhalieren. Voraussetzung ist jedoch eine kräftige Atmung bzw. ein kräftiger Atemzug, den kleine Kinder noch nicht beherrschen.

Sport und Bewegung für Kinder mit Asthma

Körperliche Aktivität ist auch für Kinder mit Asthma unverzichtbar. Eine Befreiung vom Schulsport ist nicht nötig.

Eltern sollten die Lehr- und Betreuungspersonen ihres Kindes über die Asthma-Erkrankung und etwaige erforderliche Notfallmaßnahmen informieren. Bei belastungsbedingtem Asthma kann vor dem Sportunterricht vorbeugend ein bronchienerweiterndes Medikament eingesetzt werden.

Diese und weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen sind für Kinder und Jugendliche mit Asthma wie für Erwachsene sinnvoll.

Transition: Asthma endet nicht mit der Kindheit

Asthma ist eine chronische Erkrankung. Sie bleibt also meist über das Kindesalter hinaus bestehen. Die Transition, der Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin, ist für Patient:innen oft eine kritische Zeit. Die Kinder müssen lernen, Schritt für Schritt selbst die Verantwortung für ihre Krankheit im Alltag zu übernehmen und beim Wechsel der betreuenden Praxis dürfen keine wichtigen Informationen verloren gehen.

Kinderärzt:innen und Erwachsenen-Mediziner:innen sollten in dieser Zeit gut zusammenarbeiten, zum Beispiel im Rahmen einer Transitionssprechstunde.

Wie häufig ist Asthma bei Kindern?

Asthma ist nach Neurodermitis und Heuschnupfen die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Mehrere Studien konnten zeigen, dass bei drei bis zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen schon einmal im Leben die Diagnose Asthma gestellt wurde.

Bei mindestens sieben von zehn Kindern, die Asthma entwickeln, treten erste Symptome vor dem fünften Lebensjahr auf. Bei etwa der Hälfte aller Kleinkinder verschwinden diese bis zum siebten Lebensjahr oder im Verlauf der Pubertät wieder. Bei der anderen Hälfte wird das Asthma chronisch, sodass Asthmaanfälle auch noch im Erwachsenenalter auftreten.

Quellen

Letzte Aktualisierung: 06.05.2024