Zum Hauptinhalt springen
Mikrobiom_568719404.jpeg
SciePro - stock.adobe.com

"Gesundes" und "krankes" Mikrobiom

Gesunde Vielfalt und Dysbiose

Als Grundregel gilt: In einer gesunden Lunge siedeln zwar zahlenmäßig wenige, aber an Arten vielfältige Bakterien.

Ist die Lunge erkrankt, lassen sich oft deutlich mehr Bakterien nachweisen. Allerdings sind es dann Keime einiger weniger Arten, welche die Lunge überwuchern: Die mikrobielle Dichte nimmt zu, die Vielfalt nimmt ab. Das gilt nicht nur für akute Infektionen, sondern auch für chronische Lungenkrankheiten.

Eine solche Schieflage im mikrobiellen Ökosystem bezeichnet man auch als Dysbiose. Forschende arbeiten derzeit daran, die Mechanismen dahinter zu verstehen: Führen die veränderten Lebensbedingungen in einer erkrankten Lunge – etwa eine andere Schleimkonsistenz – dazu, dass sich andere Bakterien ansiedeln? Oder sind es die veränderten Bakterien, die bestimmte Entzündungsprozesse auslösen und die Erkrankung erst in Gang bringen? Diese Henne-Ei-Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Oft scheinen sich krankhafte Veränderungen des Lungenepithels und eine bakterielle Dysbiose wechselseitig zu verstärken.

Mikrobiom bei Mukoviszidose

Bei der Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose (cystische Fibrose, CF) bildet sich in den Atemwegen ein zäher Schleim. Auch das Mikrobiom ist verändert: So lässt sich bei erwachsenen Betroffenen eine deutlich verringerte Artenvielfalt nachweisen. Dafür dominieren einige wenige krankheitserregende Bakterien wie Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa die Lunge. Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover und des Deutschen Zentrums für Lungenforschung fanden heraus, dass diese typischen Verschiebungen sich etwa im Alter von drei bis vier Jahren entwickeln. Das Lungenmikrobiom von Säuglingen und Kleinkindern mit und ohne Mukoviszidose unterscheidet sich hingegen kaum. Die Forschenden vermuten, dass dies ein Hinweis auf ein entscheidendes therapeutisches Zeitfenster sein könnte.

Mikrobiom bei Asthma bronchiale

Auch bei Menschen mit Asthma bronchiale ist die mikrobielle Gemeinschaft der Lunge anders zusammengesetzt als bei Gesunden. Namentlich dominieren hier Proteobacteria, Firmicutes (vor allem Streptococcus), Bacteroidetes (vor allem Prevotella) und Actinobacteria. Möglicherweise entwickelt sich allergisches Asthma auch abhängig davon, ob und welche Bakterien die Atemwege besiedeln: Ein Schweizer Forschungsteam aus Lausanne fand heraus, dass die Lungen von neugeborenen und keimfreien Mäusen bei Kontakt mit Hausstaubmilben allergisch reagierten. Hatte die Lunge allerdings zwei Wochen Zeit, um ein erstes Mikrobiom aufzubauen, blieben die Allergie-Symptome aus. Offensichtlich hatten die Bakterien sogenannte regulatorische T-Zellen auf den Plan gerufen, die für eine Toleranz gegenüber fremden Allergenen sorgen können.

Mikrobiom bei COPD

Eine weitere Lungenerkrankung mit nachweislichen Abweichungen im Mikrobiom ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Bereits in sehr frühen Krankheitsstadien lassen sich in der Lunge vermehrt Bakterien der Gattungen Streptococcus, Staphylococcus, Prevotella und Gemella feststellen, die zwar zum normalen Mikrobiom im Mundraum, aber kaum in die Lunge gehören. Der Zustand des Mikrobioms verändert sich mit dem weiteren Krankheitsverlauf: Insbesondere in Phasen, in denen sich die Symptome verschlimmern (Exazerbation), ist es deutlich weniger komplex und dafür dominieren potenziell krankheitserregende Keime. Während bei manchen Betroffenen vor allem die Zahl der Proteobacteria ansteigt, sind es bei anderen Firmicutes. Auch hier vermuten Forschende einen Teufelskreis, in dem entzündliche Veränderungen der Lunge und entzündungsfördernde Bakterien einander verstärken.

Mikrobiom bei Idiopathischer Lungenfibrose

Die Idiopathische Lungenfibrose ist eine chronische Erkrankung, bei der sich das Lungengewebe fortschreitend umbaut, verhärtet und vernarbt. Die Lungenbläschen (Alveolen) verlieren ihre Funktion. Auch hier finden sich im Mikrobiom der Atemwege mehr pathogene Erreger als bei Lungengesunden, vor allem Haemophilus, Neisseria und Streptococcus. Zudem zeigen aktuelle Studien, dass in einem akuten Krankheitsschub sowohl bestimmte Viren (wie Herpesviren und das Torque-Teno-Virus) als auch eine bakterielle Dysbiose eine bislang unterschätzte Rolle spielen. Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto höher ist auch die Bakteriendichte – und umso kürzer die Überlebenszeit. Ein Tierversuch liefert Hinweise darauf, dass die Betroffenen womöglich nicht nur an ihrer vernarbenden Lunge, sondern auch an der begleitenden Überwucherung mit Keimen versterben.

Quellen

Letzte Aktualisierung: 08.02.2023