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Neue Erkenntnisse: Wie das Coronavirus die Lunge schädigt

Wie wirkt sich das Coronavirus auf das Lungengewebe aus und wie unterscheiden sich Veränderungen von jenen, die durch das Influenzavirus (Grippevirus) ausgelöst werden? Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) hat dies untersucht und seine Ergebnisse aktuell in der Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" veröffentlicht.

Eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 kann ebenso wie eine schwere Grippe (Influenza) die Atemwege stark schädigen und zu einem Lungenversagen führen. Bislang ist jedoch kaum bekannt, welche molekularen Veränderungen das Virus im Lungengewebe genau auslöst, und wie sich diese Veränderungen von Schäden durch das Influenzavirus unterscheiden.

Forschende aus Deutschland, den USA, Belgien und der Schweiz haben nun in einer aktuellen Studie mehr über die Krankheitsprozesse von COVID-19 herausgefunden, indem sie Lungen von an COVID-19 Verstorbenen untersuchten und mit denen von an Grippe Verstorbenen verglichen. Sie analysierten die Gewebeproben mit einem sehr breiten Methodenspektrum und konnten so drei Veränderungen innerhalb der Lunge umfassend beschreiben, die durch SARS-CoV-2 ausgelöst werden.

Blutgefäßschädigung, Verstopfung feinster Lungengefäße und Gefäßneubildung

Zum einen fanden sie das von COVID-19 bereits bekannte Schadensmuster in der Lunge, den sogenannten diffusen Alveolarschaden. Dabei entzünden sich die Lungenbläschen und werden flächig von Eiweißablagerungen bedeckt, was die Sauerstoffzufuhr in das Blut erschwert. 

Neu war, dass sie auch eine große Zahl von Blutgerinnseln in allen Abschnitten der Lungen-Blutgefäße nachweisen konnten, vor allem in den feinsten Gefäßen, den Kapillaren. Diese sogenannten Mikrothromben verstopfen die feinen Lungengefäße und vergrößern so die Atemnot der Betroffenen zusätzlich. Auch bei Grippeinfektionen könne dieses Phänomen auftreten, wenn die Lunge sehr schwer geschädigt ist, erläutern die Forschenden,  allerdings sei die Zahl der kleinsten Verstopfungen bei Influenza sehr viel geringer.

Ein dritter, bislang ebenfalls unbekannter Befund sei besonders auffällig gewesen: Die Forschenden fanden bei an COVID-19 Verstorbenen Veränderungen, die ansonsten vorrangig von Tumorerkrankungen, Autoimmunkrankheiten oder Vernarbungsprozessen bekannt sind – nämlich eine besondere Form von Gefäßneubildungen in der Lunge. Im Rahmen des diffusen Alveolarschadens sei diese sogenannte intussuszeptive Neoangiogenese bislang noch nicht beschrieben worden. Dadurch würde sich COVID-19 grundlegend von vergleichbar schweren Lungeninfektionen durch Influenzaviren unterscheiden.

Rätsel um Coronavirus noch lange nicht gelöst

Die Studie verbessere das Verständnis, warum die Lungenfunktion bei SARS-CoV-2-Infizierten mit schweren Krankheitsverläufen so stark beeinträchtigt ist. Damit seien die Ergebnisse ein weiteres Puzzleteil zur Entschlüsselung von COVID-19, so die Studien-Autoren. Sie betonen aber auch, dass das Rätsel um das Coronavirus noch lange nicht gelöst ist. Weitere Studien müssen folgen, um die Mechanismen der Gefäßveränderungen zu verstehen um daraus letztendlich therapeutische Ansätze entwickeln zu können.

Quellen:

Ackermann, M. et al.: Pulmonary Vascular Endothelialitis, Thrombosis, and Angiogenesis in Covid-19. In: New England Journal of Medicine, 21. Mai 2020, DOI: 10.1056/NEJMoa2015432  

BREATH - Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung: Neue Erkenntnisse: Wie das Coronavirus die Lunge schädigt. Meldung vom 25.05.2020