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Mukoviszidose - Im Gespräch mit Dr. Olaf Sommerburg

Mukoviszidose, auch unter dem Begriff cystische Fibrose (CF) bekannt, ist eine angeborene schwere Stoffwechselerkrankung. Besonders problematisch sind die auftretenden Lungenschädigungen und die damit verbundenen Komplikationen. Was passiert in der Lunge und wie weit ist die Medizin? Ein Interview mit Privatdozent Dr. med. Olaf Sommerburg, Oberarzt der Sektion für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Mukoviszidose-Zentrum am Universitätsklinikum Heidelberg.

Sehr geehrter Herr Sommerburg, für unsere Leserinnen und Leser, die nicht so tief in der Thematik sind: Wie entsteht Mukoviszidose, welche Symptome zeichnen sie aus und woher kommt der Name?

Mukoviszidose kommt von den lateinischen Wörtern „mucus“ für Schleim und „viscidus“, was so viel wie „klebrig“ oder „zäh“ bedeutet. Bei der Mukoviszidose handelt es sich um eine vererbbare Multiorganerkrankung. Der Vererbungsmodus der Stoffwechselerkrankung ist autosomal-rezessiv, das heißt beide Eltern müssen in ihren Erbanlagen genetische Veränderungen  tragen, die in Kombination zu der Erkrankung führen.

Mukoviszidose-Patienten fallen bereits als Kind durch Gedeihstörung oder später durch Lungenentzündungen bzw. asthma-ähnliche Symptome auf. Liegt die Erkrankung genetisch vor, so wird ein bestimmter Ionenkanal (CFTR-Kanal) in der Membran von Epithelzellen exokriner (nach außen abgebender) Drüsen nicht oder fehlgebildet bzw. hat eine deutlich verringerte Aktivität. In den Bronchien ist dieser Ionenkanal unter anderem dafür verantwortlich, durch Abgabe von Chloridionen den Flüssigkeitsfilm auf der Oberfläche der Bronchien zu erhalten. In diesem Flüssigkeitsfilm bewegen sich Zilien (feine Flimmerhärchen), die Schleim aber auch Schmutzpartikel oder Bakterien wieder aus der Lunge heraus befördern. Wir nennen diesen Vorgang „mukoziliäre Clearance“.

Bei Mukoviszidose funktioniert der Ionentransport im CFTR-Kanal nicht, was zum Austrocknen des besagten Flüssigkeitssaums führt und in der Folge die mukoziliäre Clearance zum Erliegen bringt. Dadurch sammelt sich in den Bronchien zäher Schleim an, der von Bakterien besiedelt wird, die dann zu Infektionen führen. Das eigentlich funktionierende immunologische Abwehrsystem kann jedoch gegen die im Schleim befindlichen Bakterien nur wenig ausrichten, so dass mit der Zeit bronchiale Strukturen und Lungengewebe verloren gehen.

Welche Organe sind neben der Lunge noch betroffen?
In der Bauchspeicheldrüse, die bei Mukoviszidose ebenfalls betroffen ist, können durch den fehlenden CFTR-Kanal neben Chlorid- auch keine Bikarbonationen abgegeben werden, was zur Verstopfung des Ausführgangs der Bauchspeicheldrüse und zum langsamen Untergang dieses Organs führt. Aus diesem Grund fehlen im Darm wichtige Enzyme wie die Fett-spaltende Lipase, da diese von der Bauchspeicheldrüse nicht abgegeben werden können. In der Folge kann der Körper kein Fett und damit keine wichtigen Energieträger und  keine fettlöslichen Mikronährstoffe aufnehmen, was zu Verdauungsstörungen mit voluminösen Fettstühlen und zur Gedeihstörung führt. Neben der Lunge und der Bauchspeicheldrüse sind aber auch die Nasennebenhöhlen oder Organe wie die Leber, der Darm und beim Mann auch die Samenleiter durch den zähen Schleim betroffen.

Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose werden erfreulicherweise immer älter. Woran liegt das, und wird sich der Trend fortsetzen?
Wir haben mittlerweile erkannt, wie man Mukoviszidose-Patienten symptomatisch behandeln kann. Wichtig dabei ist, dass die Diagnose so früh wie möglich gestellt wird. Deshalb wurde die Erkrankung im letzten Jahr in Deutschland auch endlich in das Neugeborenenscreening-Programm aufgenommen. Die früh diagnostizierten Patienten müssen auch sofort behandelt werden. Zum einen ist es wichtig, durch Gabe von Verdauungsenzymen das Problem der verringerten Aufnahme von fettlöslichen Nährstoffen anzugehen. Zusätzlich sollten diese Patienten mit bis zu 150 Prozent der Energiemenge von gleichaltrigen Gesunden versorgt werden. Nur so lässt sich das Energiedefizit bei Mukoviszidose von Anfang an bekämpfen, denn es konnte gezeigt werden, dass gut gediehene Mukoviszidose-Patienten grundsätzlich einen besseren klinischen Verlauf im Vergleich zu schlechter gediehenen Patienten zeigen. Gleichzeitig muss aber auch begonnen werden, die mukoziliäre Clearance in der Lunge wieder herzustellen. Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass bereits junge Säuglinge mit Schleim verstopfte kleine Atemwege zeigen. Hierzu sind tägliche Inhalationen beispielsweise mit (sogenannter hypertoner) Kochsalzlösung und eine tägliche Atemphysiotherapie notwendig.

Was können Mukoviszidose-Patienten selbst tun, um ihr Leben mit der Krankheit bestmöglich zu gestalten?
Mittlerweile wissen wir, dass nicht nur die Umsetzung der soeben genannten Therapie wichtig ist, sondern auch die eigene Bewegung. Sport sollte im Tagesablauf der Patienten integriert werden und eine wichtige Rolle im Leben dieser Patienten spielen.

Kürzlich war zu lesen, dass bei fast 99 Prozent aller Patientinnen und Patienten die genaue Mutation im CFTR-Gen bekannt sei. Das sei vor allem mit Blick auf neuere Medikamente interessant – warum?
Nachdem die ersten Mutationen, die zur Erkrankung der Mukoviszidose führen, bekannt waren, dachte man, dass man in wenigen Jahren mit der Gentherapie diese Erbkrankheit besiegen kann. Trotz unermüdlicher Anstrengung ist dies jedoch bis heute noch nicht möglich. Allerdings wissen wir mittlerweile, dass unterschiedliche CFTR-Mutationen auch zu unterschiedlichen Krankheitsmechanismen führen, die am Ende die Behandlung der Mukoviszidose bestimmen. Man hat dabei erkannt, dass es auch möglich ist, auf der Ebene der betroffenen Eiweiße zu therapieren, aus denen der Ionenkanal besteht. Bei einigen CFTR-Mutationen helfen sogenannte Aktivatoren, die einen bereits in der Zellmembran vorhandenen, aber fehlgebildeten Ionenkanal so verändern können, dass er plötzlich funktioniert. Für andere CFTR-Mutationen braucht man zunächst einen Korrektor, der dazu führt, dass das Eiweiß in der Zelle so gebildet werden kann, dass der interne Kontrollmechanismus der Zelle einen Einbau in die Zellmembran erlaubt. Diese Therapien gibt es bereits für einige Patienten mit bestimmten CFTR-Mutationen. Um den Patienten heute und in Zukunft eine individuell passende Therapie anzubieten, ist die Kenntnis der auslösenden CFTR-Mutationen absolut notwendig.

Neue Behandlungsmöglichkeiten versprechen sich Wissenschaftler auch durch den Einsatz von Stammzellen oder der Genschere CRISPR/Cas. Wie sehen Sie die Chancen, dass in naher Zukunft neue Technologien auf den Markt kommen?
Beides sind sehr moderne Verfahren, die möglicherweise auch in der Behandlung von Mukoviszidose-Patienten eines Tages eine Rolle spielen können. Derzeit befinden sich diese Verfahren aber noch in einer vorklinischen Phase, das heißt Therapiestudien, bei denen diese für Mukoviszidose-Patienten in der Klinik Anwendung finden, gibt es meiner Kenntnis nach noch nicht.

Kann ich als Patientin oder Patient an klinischen Studien teilnehmen und wo finde ich entsprechende Angebote?
Es werden immer Teilnehmerinnen und Teilnehmer  für klinische Studien gesucht. Um geeignete Studien zu finden kann man in entsprechenden Datenbanken recherchieren. Solche gibt es in der Studienplattform des Lungeninformationsdienstes  oder aber auch auf der Website des Vereins Mukoviszidose e.V. 

 

Mukoviszidose-Vortrag von Dr. Marcus Mall, Kollege von Dr. Sommerburg am Universitätsklinikum Heidelberg auf einem Patientenforum des Lungeninformationsdienstes