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Lungs preparation
Michael Haggenmueller

Wo steht die Tuberkulose-Forschung

Neue Ansätze der Tuberkulose-Forschung zielen auf Vorbeugung und Behandlung der Tuberkulose (Tbc, TB) sowie auf eine verbesserte Diagnostik und Früherkennung einer vorhandenen Infektion ab. Die Forschung wird nicht zuletzt dank des Global Plan to Stop TB seit einigen Jahren mit neuem Elan vorangetrieben.

Wissenschaftliche Beratung: 
Prof. Dr. Tom Schaberg, Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg

Neue Ansätze der Tuberkulose-Forschung zielen auf Vorbeugung und Behandlung der Tuberkulose (Tbc, TB) sowie auf eine verbesserte Diagnostik und Früherkennung einer vorhandenen Infektion ab. Die Forschung wird nicht zuletzt dank des Global Plan to Stop TB seit einigen Jahren mit neuem Elan vorangetrieben.

Wissenschaftliche Beratung: 
Prof. Dr. Tom Schaberg, Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg

Neue Diagnoseverfahren für Tuberkulose

Zu den herausragenden Neuerungen in der Tuberkulose-Forschung zählen Entwicklungen im Bereich der molekularbiologischen Diagnostik und Resistenztestung. So ist es heute möglich, innerhalb von Stunden zuverlässige Aussagen zur Mykobakterien-Spezies und zu einer Rifampicin-Resistenz, die eine multiresistente Tuberkulose-Infektion anzeigt, zu treffen. Zum Beispiel mit dem GeneXpert TB Test, der bei Verdacht auf eine Resistenz eingesetzt wird. Aufgrund der hohen Sensitivität der Tests selbst bei Sputumproben (ausgehusteter Auswurf der Lunge), die unter dem Mikroskop ein negatives Ergebnis ergaben, ist davon auszugehen, dass ihre Einführung Auswirkungen auf die Tuberkulose-Diagnose haben wird.

Mit dem Tuberkulin-Hauttest steht zwar ein Verfahren zur Verfügung, dass relativ zuverlässig anzeigt, ob das Immunsystem schon einmal Kontakt mit dem Tuberkulose-Erreger hatte – doch Aussagen über Stadium und Form der Tbc erlaubt er nicht. Wissenschaftler:innen vom Medical Research Council entwickelten eine Methode, mit der sich im Blut eine aktive von einer latenten Tuberkulose unterscheiden lässt, und zwar anhand der Gen-Signatur bestimmter Immunzellen.

Biomarker zur Diagnose latenter Tuberkulose-Infektionen

Auch die Fortschritte in der Erforschung potenzieller Biomarker, das heißt tuberkulosespezifischer objektiv messbarer biologischer Merkmale, sind bemerkenswert. Als Biomarker eignen sich Substanzen, die im Körper leicht nachweisbar sind.

Forscher:innen des Berliner Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie haben fast 2000 Gene identifiziert, deren Aktivität bei latent infizierten Menschen anders ist als bei an Tuberkulose erkrankten Patient:innen. Fünf der Gene eignen sich als Biomarker.

Der größte Aktivitätsunterschied besteht beim sogenannten Fc Gamma-Rezeptor auf der Oberfläche von Immunzellen. Seine Funktion ist es, dafür zu sorgen, dass die Zellen Antikörper-beladene Bakterien erkennen und beseitigen können. Wer an Tuberkulose erkrankt ist, hat höhere Blutwerte für den Fc Gamma-Rezeptor als Gesunde oder latent infizierte Menschen.

Auch die vier anderen Biomarker-Gene besitzen ein Aktivitätsprofil, das einer latenten Infektion zugeordnet werden kann. Werden alle fünf Biomarker gleichzeitig eingesetzt, erkennen sie eine latente Tuberkulose-Infektion mit 97-prozentiger und Tuberkulose-Patient:innen mit 94-prozentiger Sicherheit.

Neuer Gentest zur effizienteren Behandlung der Tuberkulose

Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung von Wissenschaftler:innen aus dem Forschungszentrum Borstel und der LungenClinic Großhansdorf hat kürzlich einen Gentest entwickelt, der eine Vorhersage möglich macht, ob ein Tuberkulose-Stamm gegen eine Antibiotikabehandlung resistent ist. Der Test soll auch eine Vorabschätzung erlauben, ob eine bestimmte Tuberkulose-Behandlung gegen das jeweils vorliegende Bakterium effektiv sein könnte oder nicht. Bevor der Test in die breite Anwendung kommen kann, sind allerdings weitere Untersuchungen nötig.

Entwicklung neuer Tuberkulose-Medikamente

Problematisch sind die weltweit wachsenden Fallzahlen von MDR-Tuberkulose (multiresistente Tuberkulose) und XDR-TB (extrem resistente Tuberkulose), also von Infektionen mit Tuberkulose-Erregern, die gegen die Standard-Medikamente beziehungsweise auch gegen die zur Verfügung stehenden Reserve-Antituberkulotika resistent sind.

Dementsprechend dringlich ist die Entwicklung neuer wirksamer Waffen im Kampf gegen die Tuberkulose. Dies hat sich die 2000 ins Leben gerufene Global Alliance for TB Drug Development auf die Fahne geschrieben. Die TB Alliance ist eine gemeinnützige Organisation in der Wissenschaftler:innen, Universitäten und politische Institutionen gemeinsam das Ziel verfolgen, alle Tuberkulose-Kranken mit effektiven und bezahlbaren Medikamenten zu versorgen – auch in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie. 2014 startete die TB Alliance die Studie "Nix-TB" als Test einer neuen Therapie gegen hochresistente Tuberkulose (XDR-TB). Es ist die erste klinische Studie, die eine neue, rein orale Therapie untersucht, welche Medikamente umfasst, gegen die nur minimale Resistenzen bestehen.

Wissenschaftler:innen der ETH Zürich gelang es, ein Molekül zu entwickeln, das den Grundstein für neue Tuberkulose-Medikamente legen soll. Dazu bauten sie den natürlichen Wirkstoff Pyridomycin nach, veränderten aber dessen chemische Struktur, um einerseits seine Stabilität zu verbessern und andererseits die künstliche Herstellung zu erleichtern. Pyridomycin hemmt das Wachstum von Mykobakterien, indem es den Aufbau der bakteriellen Zellwand blockiert. Das chemische Gerüst könnte eine große Vielfalt an Strukturen für neue Medikamente gegen Tuberkulose bieten.

Ende 2017 identifizierte ein Team der Technischen Universität München (TUM) sowie der Harvard University und der Texas A&M University in den USA eine weitere Substanz, die den Aufbau der Zellmembran von M. tuberculosis stört und so die Bakterien effektiv abtötet. Wird dieses beta-Lakton „EZ120“ gemeinsam mit bekannten Antibiotika verabreicht, steigert es zudem deren Wirksamkeit erheblich. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Antibiotika durch die geschwächte Zellwand, leichter in die Bakterien eindringen können.

Impfstoffe gegen Tuberkulose

Dank intensiver Forschungsbemühungen versteht man immer besser, wie die Mykobakterien es schaffen, der Immunabwehr zu entgehen und jahrelang im Körper zu schlummern. So untersuchen Wissenschaftler:innen vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung ein System des Tuberkulose-Erregers, das es ihm ermöglicht, im Inneren von Fresszellen zu überleben. Solche und andere Erkenntnisse eröffnen auch den Weg zu neuen Therapieansätzen.

Forscher:innen vom Max-Planck-Institut für Infektionsforschung in Berlin haben ebenfalls die Fresszellen im Visier. Allerdings arbeiten sie nicht an einem Antituberkulotikum, sondern an einem neuen Tuberkulose-Impfstoff. Die Wissenschaftler:innen haben den altbekannte BCG-Impfstoff gentechnisch so modifiziert, dass er sich, vereinfacht gesagt aus den Fresszellen befreien kann. So ist er für das Immunsystem besser zugänglich und löst eher die gewünschte Antikörperbildung aus, die vor einer Tuberkulose-Infektion schützt. Der bislang zur Tuberkulose-Impfung eingesetzte Impfstoff, kurz BCG, kann lediglich das Wachstum der Bakterien verlangsamen. Er bietet zudem nur eine unzuverlässige Schutzwirkung und zeigt starke Nebenwirkungen bei HIV-infizierten Kindern.

In einer frühen Phase-I-Studie, die das Sicherheitsprofil eines Wirkstoffes überprüft, hat der neue Impfstoff VPM1002 bestanden. 2015 hat die Phase-II-Studie für diesen Impfstoff begonnen. In der klinischen Studie erhalten Neugeborene den Tuberkulose-Impfstoff VPM1002, der dazu beitragen soll, die Ausbreitung der lebensbedrohlichen Tuberkulose nicht nur in endemischen Gebieten, sondern auch in Europa einzudämmen.

Ein anderer Impfstoff gegen Tuberkulose mit deutlich stärkerem und länger anhaltendem Schutzeffekt als der herkömmliche könnte ebenfalls in ein paar Jahren verfügbar sein. Im Mittelpunkt steht ein harmloser, genetisch veränderter Verwandter des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis. Der neue Impfstoffkandidat versetzte das Immunsystem von Mäusen in die Lage, eindringende Tuberkulose-Bakterien abzutöten. Geimpfte Tiere überlebten eine Infektion 135 Tage, die nicht geimpften Mäuse dagegen nur 54 Tage. Noch hat die Impfung nicht bei allen Mäusen zur kompletten Abtötung des Keims geführt, die Wissenschaftler:innen sind jedoch zuversichtlich.

Es gibt also viele kleine Fortschritte und Durchbrüche im weltweiten Bemühen gegen die Tuberkulose. Doch gewonnen ist der Kampf noch lange nicht. Ein großes Problem stellt das immer häufigere Auftreten von Multiresistenzen dar.

Quellen

Letzte Aktualisierung: 13.03.2018