Schon heute leiden weltweit je nach Schätzungen beziehungsweise Hochrechnungen zwischen 200 und 300 Millionen Menschen an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD – und die Zahl wird nach Ansicht von Experten in Zukunft noch weiter zunehmen. Leider ist bis heute keine Heilung möglich. Doch gerade in den letzten Jahren hat die Forschung viele neue Erkenntnisse gewonnen, die das Verständnis der Erkrankung verbessert haben.
Dies ist auch das Verdienst von Projekten wie der 1997 ins Leben gerufenen Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). Diese auf der ganzen Welt operierende Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl die Prävention, also die Vorbeugung, als auch die Behandlung und Versorgung von COPD zu verbessern.
Auch in Deutschland werden die wissenschaftlichen Anstrengungen weiter intensiviert. So gibt es seit 2009 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte krankheitsbezogene Kompetenznetz Asthma / COPD (AsCoNet), an dem diverse Universitäten und Forschungseinrichtungen beteiligt sind.
2011 wurde auf Initiative der Bundesregierung das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) gegründet. Hier kooperieren führende deutsche Forschungseinrichtungen und Kliniken an fünf Standorten mit dem Ziel, grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse in neue klinische Konzepte zur Verbesserung der Patientenversorgung umzusetzen.
Übergreifendes Ziel aller Forschungsaktivitäten ist es, besser zu verstehen, welche Prozesse zur COPD-Entstehung beitragen, um damit neue, effektivere Therapien und auch Diagnosemöglichkeiten zu entwickeln.
In der Bronchialschleimhaut und im Auswurf (Sputum) von COPD-Patienten finden sich zahlreiche Immunzellen, etwa neutrophile Granulozyten, Makrophagen und T-Lymphozyten. Diese Zellen können Botenstoffe ausschütten und sind damit an Entzündungsvorgängen in der Lunge beteiligt.
Eine wichtige Rolle spielen die neutrophilen Granulozyten, welche für die bisher irreversiblen Umbauvorgänge in der Lunge mit verantwortlich sind.
Daneben rücken seit einigen Jahren auch die Makrophagen stärker ins Blickfeld der Forschung. Diese Abwehrzellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und zerstören im Atemsystem Viren, Bakterien und Aerosolpartikel. Forschende konnten beispielsweise eine Makrophagenpopulation im Auswurf nachweisen, deren Zellen kleiner als die bisher bekannten Makrophagen sind. Diese sogenannten kleinen Sputum-Makrophagen machen im Bronchialsekret von Gesunden nur etwa zehn Prozent aller Makrophagen aus, im Sekret von COPD-Kranken jedoch bis zu 90 Prozent.
Man nimmt an, dass die kleinen Sputum-Makrophagen eine entscheidende Rolle in den Entzündungsprozessen spielen, indem sie entzündungsfördernde Stoffe wie den Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) produzieren. Dieser Stoff hält den Entzündungsstatus in der Zelle aufrecht und kann so zur Entstehung der COPD beitragen.
Auch autoimmunwirksame Antikörper scheinen an den strukturellen Veränderungen in der Lunge beteiligt zu sein. So konnten Wissenschaftler bei COPD-Patienten erhöhte Werte von Autoantikörpern nachweisen, die sich gegen körpereigene Lungenepithelzellen richten. Die genauen Zusammenhänge, die auch Ansatzpunkte für neue Therapien bieten würden, müssen aber noch besser erforscht werden.
Laboruntersuchungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass Lungengewebe prinzipiell in der Lage ist, sich selbst zu erneuern ist. Die Forschung hat Signalmoleküle entdeckt, die das Wachstum der Lungenbläschen fördern. Solche Wachstums- und Regenerationsprozesse zu verstehen und anzukurbeln ist das Ziel von Wissenschaftlern rund um den Globus, denn darüber könnten zum Beispiel neue Therapien zur Behandlung des Lungenemphysems entwickelt werden.
Im Visier haben die Forschenden dabei unter anderem den WNT /β-Catenin-Signalweg, der es Zellen ermöglicht, auf äußere Signale zu reagieren und der offenbar eine wichtige Funktion bei der Zellentwicklung besitzt. Sie konnten zeigen, dass seine Aktivität sowohl bei COPD-Patienten als auch in Krankheitsmodellen bei Tieren reduziert ist. Es gelang ihnen, den WNT /β-Catenin-Signalweg künstlich zu aktivieren. Im Modellsystem führte dies zu einer Linderung des Emphysems und zu einer Verbesserung der Lungenfunktion. Über diesen Signalweg die Reparaturmechanismen der Lunge zu fördern könnte also ein künftiger Therapieansatz für die COPD sein.
An Bedeutung gewinnt auch die These der fehlregulierten Apoptose. Als Apoptose wird der programmierte Zelltod bezeichnet. Er gewährleistet das Gleichgewicht zwischen Zellteilung und dem Abbau alter oder geschädigter Zellen. Dabei wird ein Prozess in Gang gesetzt, der zur Zellschrumpfung, Abbau des Erbguts (DNA-Fragmentierung) und schließlich zur Beseitigung abgestorbener Zellen führt. Ein gestörtes Gleichgewicht zwischen Apoptose und Zellneubildung könnte die COPD begünstigen.
Auch ein beschleunigter Alterungsprozess könnte bei der Entstehung der COPD eine Rolle spielen. Ein Argument hierfür stammt aus Untersuchungen zu Sirtuine. Sirtuine sind hoch konservierte Eiweißstoffe, welche in niederen Organismen die natürliche Lebensdauer regulieren. Die Inaktivierung von SIRT1 erhöht im Mausmodell die Aktivität des Enzyms Matrix-Metalloproteinase MMP9, welches bei der Emphysementstehung von Bedeutung ist. SIRT1 ist in der Lunge von COPD-Patienten erniedrigt. Je niedriger SIRT1 ist, umso mehr MMP9 wird gebildet, und umso stärker schreitet die Zerstörung des Lungengewebes voran.
Welche Gene sind für die unterschiedliche Ausprägung der COPD beim Erwachsenen verantwortlich? Weshalb erkranken nur 20 Prozent aller Raucher? Und warum bekommen auch Nichtraucher eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, fahnden Forschende nach den Orten im Erbgut, die die Entwicklung und Ausprägung der Krankheit mitbestimmen.
Einige Genorte, die mit der Lungenfunktion, der COPD-Entstehung und dem Gesundheitszustand der Lunge in Zusammenhang stehen wurden auch bereits gefunden. Jedoch ist es bis heute noch nicht gelungen, das COPD-auslösende Gen zu identifizieren. Wahrscheinlich ist auch eher, dass es eine Reihe von Genen gibt, die auch erst im Zusammenhang mit Umwelteinflüssen (z.B. Zigarettenrauchen) zur Entstehung der COPD beitragen.
Auch in der Diagnose der COPD eröffnet das bessere Verständnis der Krankheitsmechanismen neue Optionen. So lassen sich durch eine Analyse des Sputums bestimmte Entzündungsmarker schon in frühen Krankheitsstadien nachweisen. Dadurch können Mediziner*innen die COPD einfacher von anderen Lungenkrankheiten abgrenzen und den Erfolg bestimmter Therapieformen besser abschätzen.
Bis vor einigen Jahren war die gängige Methode zur Zellgewinnung noch die Bronchoalveoläre Lavage (BAL). Dabei wird mit einem Endoskop Spülflüssigkeit in die Lunge eingebracht und wieder abgesaugt. Dieses Verfahren ist allerdings mit einer Lungenspiegelung verbunden und daher nur für bestimmte Fragestellungen in der Forschung einzusetzen. Deshalb gewinnt seit einigen Jahren die induzierte Sputumgewinnung als nicht-invasive Methode an Bedeutung: Über einen Ultraschallvernebler wird Kochsalzlösung in steigenden Konzentrationen inhaliert. Durch den Salzgehalt wird der Schleim in den Bronchien verflüssigt und kann abgehustet werden.
Kurz erklärt:
Die Sputumanalyse könnte ebenso wie die Untersuchung des Atemexhalats in der Diagnostik und Therapie der COPD an Bedeutung gewinnen.
In den Auswurfproben können Entzündungszellen und Entzündungsbotenstoffe bestimmt werden. Bisher ist die Sputumanalyse allerdings noch nicht Bestandteil der ärztlichen Routine-Diagnostik.- In Zukunft könnte die Untersuchung aber an Bedeutung gewinnen, um beispielsweise über den Einsatz von Therapien zu entscheiden. So zeigen COPD-Patienten, deren Sputum besonders viele eosinophile Granulozyten enthält, in klinischen Studien ein besseres Ansprechen auf die inhalative (Dauertherapie) oder orale (Therapie der akuten Verschlechterung) Therapie mit Cortison.
Zudem bemühen sich Forscher im Deutschen Zentrum für Lungenforschung gerade darum, die Diagnostik im Atemexhalat zu verbessern. Atemexhalat ist die ausgeatmete Luft, die eine Vielzahl von flüchtigen Entzündungsmarkern beinhalten kann.
Aus dem immer besser werdenden Verständnis der zellulären und molekularen Mechanismen der COPD ergeben sich viele mögliche Ansatzpunkte für neue Therapien. Einer der Hauptansätze ist dabei die Entwicklung von Medikamenten, die der Entzündung in den Atemwegen entgegenwirken.
Einige therapeutische Ansätze gegen die Entzündung werden derzeit in klinischen Studien untersucht, so zum Beispiel die so genannten p38-MAPK-Inhibitoren. P38-MAPK-Inhibitoren verringern möglicherweise die Produktion von Entzündungsbotenstoffen bei COPD-Patienten.
Studien werden derzeit auch mit einer Reihe von anderen antientzündlichen Substanzen durchgeführt. Zu diesen Medikamenten gehören auch die so genannten PDE-4-Hemmer. Sie unterdrücken den Entzündungsprozess. Mit Roflumilast wurde 2010 der erste PDE-4-Hemmer in Tablettenform in Europa zugelassen. Neuere Überlegungen gehen dahin, PDE-4-Hemmer auch inhalativ zu verabreichen.
Weitere Substanzen, die derzeit getestet werden, betreffen die so genannten CXCR-2-Antagonisten, die der Ansammlung von neutrophilen Granulozyten in der Lunge entgegenwirken, oder auch sogenannte GATA 3-spezifische DNAzyme, die die Entzündungsreaktionen im Gewebe eindämmen können.
Auch wird getestet, ob die Behandlung der chronischen Entzündung durch Antikörper gegen bestimmte Entzündungsbotenstoffe helfen könnte.
Aktuelle Forschung zum Thema
Quellen: |
Wissenschaftliche Beratung: PD Dr. Henrik Watz, LungenClinic Grosshansdorf
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Letzte Aktualisierung: |
22.02.2019 |