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Rheumamedikament gegen chronische Entzündung bei Mukoviszidose

Abgestorbene Zellen in den Atemwegen lösen über einen bestimmten Signalweg chronische Entzündungen aus. Ein gegen rheumatoide Arthritis bewährtes Medikament blockiert diesen Signalweg und könnte als neuer Behandlungsansatz dienen. Dies haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Lungenforschung und der Universität Heidelberg im Tiermodell herausgefunden. Die Ergebnisse sind im amerikanischen Fachjournal of Respiratory and Critical Care Medicine veröffentlicht.

Chronische Entzündungen der Atemwege bei Mukoviszidose stammen nicht nur von Bakterien, sondern auch von abgestorbenen Zellen in den von Schleim verstopften Atemwegen. Sie können heftige Reaktionen des Immunsystems auslösen. Die Heidelberger Wissenschaftler unter Federführung vom Prof. Markus Mall haben nun herausgefunden, dass ein Medikament, das für die Behandlung rheumatischer Gelenkentzündungen zugelassen ist, im Mausmodell auch Entzündungen unterdrücken kann, die durch diese abgestorbenen Zellen hervorgerufen werden,. 


Bisher waren Mediziner davon ausgegangen, dass chronische Entzündungen der Atemwege bei Mukoviszidose überwiegend die Folge einer Infektion mit Bakterien oder Viren sind. Allerdings war bei Säuglingen mit Mukoviszidose, die in den ersten Lebensmonaten eine Atemwegsentzündung hatten, häufig noch kein Bakterienbefall nachweisbar. Solche „keimfreien“ Entzündungen kennen Mediziner aus anderen Organen z.B. nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall , wenn in Herz oder Gehirn Zellen durch Sauerstoffmangel zugrunde gehen. Durch die Schleimpfropfen in den Atemwegen kommt es auch in der Lunge zu einem Sauerstoffmangel. Insbesondere  in den hinter den Schleimpropfen liegenden Abschnitten. Dort ersticken kontinuierlich Zellen, die Entzündung kommt daher nie zur Ruhe. 

Eine wichtige Rolle spielt dabei der Botenstoff Interleukin-1. Er konnte nun erstmals auch im Lungengewebe von Mäusen mit einer der Mukoviszidose vergleichbaren, chronischen Lungenerkrankung nachgewiesen werden. Bei Mäusen, denen durch eine genetische Veränderung der Rezeptor für Interleukin-1 fehlte, kam es trotz Verschleimung kaum zu Entzündungen in der Lunge. Bei ihnen lief der Signalweg ins Leere, die absterbenden Zellen lösten keine Immunantwort aus. Die Lungenfunktion blieb erhalten und die Lebenserwartung verbesserte sich deutlich. 

Der neu entdeckte Krankheitsmechanismus um Interleukin-1 spielt möglicherweise eine entscheidende Rolle in der Chronifizierung und im Fortschreiten der Lungenerkrankung. Dies könnte neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. Bislang erhalten Patienten bei Lungenentzündung Antibiotika gegen die Infektion. Sind keine Bakterien im Spiel, sind Antibiotika aber nutzlos. 

Ein passendes Medikament gegen den neuen Entzündungsmechanismus gibt es bereits: Der Wirkstoff Anakinra wird bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie der rheumatischen Arthritis gespritzt und blockiert die Interleukin-Andockstelle, den IL-1-Rezeptor. Bei erwachsenen, chronisch lungenkranken Mäusen linderte das Medikament die Entzündungen und verringerte so die Zerstörung des Lungengewebes. Ob Anakinra auch bei Patienten mit Mukoviszidose als entzündungshemmende Therapie wirksam ist, muss noch in klinischen Studien geprüft werden.


Weitere Informationen zum Thema:

Mukoviszidose – Vom Verständnis der Krankheitsentstehung zur Entwicklung einer effektiven Therapie. – Videovortrag Prof. Dr. Marcus Mall (17. Juli 2013)
Was ist Mukoviszidose? 

Therapiemöglichkeiten bei Mukoviszidose
Forschung für eine frühe Diagnose von Mukoviszidose

Quellen:

Fritzsching, B. et al.: Hypoxic epithelial necrosis triggers neutrophilic inflammation via IL-1 receptor signaling in cystic fibrosis lung disease. In: Am J Respir Crit Care Med. April 2015,191(8): 902-13 

Universitätsklinikum Heidelberg: Zelltod in verstopften Atemwegen: Ein neu entdeckter Mechniasmus der chronischen Entzündung bei Mukoviszidose. – Pressemitteilung vom 24 .Februar 2015