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Wie schädigt Feinstaub die Lunge?

Bereits geringe Feinstaubkonzentrationen können dazu führen, dass die körpereigene Abwehr umgangen wird. Dies beschreiben Forschende in einer aktuellen Studie anhand von Computersimulationen chemischer Reaktionen in der Lunge. Sie verdeutlichen damit abermals, wie wichtig saubere Luft für unsere Gesundheit ist.

Im Zentrum der Forschungsergebnisse steht das Molekül Wasserstoffperoxid (H2O2), das man im Alltag auch als Bleichmittel kennt. In der Lunge entsteht Wasserstoffperoxid in geringen Konzentrationen auch bei natürlichen Prozessen und reichert sich in kleinen Mengen an. Atmen wir saubere Luft ein, verwandeln Enzyme den Großteil des Wasserstoffperoxids in harmlose Stoffe wie Wasser. Das internationale Forschungsteam zeigte nun jedoch, dass Schadstoffe mit den schützenden Enzymen in Konkurrenz treten. Sie nutzten dafür Computermodelle, mit denen sie die chemischen Prozesse in der Epithelflüssigkeit, einer dünnen wässrigen Schicht, die unsere Lunge schützt, nachstellen konnten.

Feinstaub erhöht oxidativen Stress

Die Forschenden fanden heraus, dass lungengängiger Feinstaub mit einer Partikelgröße kleiner als 2,5 Mikrometer das Wasserstoffperoxid in hoch reaktive, sogenannte Hydroxylradikale verwandelt. Möglich wird dies laut den Forschenden, da Feinstaub – je nach Ursprung – Kupfer- und Eisenteilchen enthalten kann, die die Umwandlung von Wasserstoffperoxid in Hydroxylradikale begünstigen. Die entstandenen reaktiven Sauerstoffradikale schädigen in Folge Proteine und Fette in der Lunge und damit das Lungengewebe – man spricht auch von oxidativem Stress.

Diese schädigenden Effekte des Feinstaubs traten im Modell bereits bei vergleichsweise geringen Schadstoffbelastungen auf, wie man sie auch außerhalb belasteter Innenstädte finden kann, betonen die Studienautor:innen. Hinzu komme, dass Hydroxylradikale so reaktiv sind, dass sie durch die körpereigenen Abwehrmechanismen nicht wirksam abgefangen werden können. Der einzige Schutz bestehe darin, die Bildung der Radikale in unserem Körper zu verhindern, betont der Erstautor der Studie. Und das gelinge nur, wenn unsere Atemluft möglichst sauber ist.

Gesundheitliche Auswirkungen von Luftverschmutzung noch besser verstehen

Für die Forschenden sind die aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO daher folgerichtig. Die Organisation hatte erst vor kurzem die Leitlinien für die Reinhaltung von Luft verschärft, denn Luftverschmutzung ist nach epidemiologischen Studien weltweit eines der größten Gesundheitsrisiken.

Mit ihrem neuen Modell wollen die Forschenden in Zukunft die Wirkungen und Wechselwirkungen verschiedener Luftschadstoffe quantitativ bewerten, um die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung noch besser zu verstehen. Die neu gewonnenen Erkenntnisse sollen zudem mit epidemiologischen Daten verknüpft werden, um Empfehlungen für effiziente Strategien zur Luftreinhaltung geben zu können, so die Hoffnung des Teams.

Quellen:

  • Max-Planck-Institut für Chemie: Konkurrenz in der Lunge. Pressemeldung vom 23.11.2021
  • Lelieveld, S. et al.: Hydroxyl Radical Production by Air Pollutants in Epithelial Lining Fluid Governed by Interconversion and Scavenging of Reactive Oxygen Species. In: Environ. Sci. Technol. 2021, 55, 20, 14069–14079, Oktober 2021