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COVID-19: Vernarbung der Lunge wie bei Lungenfibrose?

Die Lunge von Menschen, die schwer an COVID-19 erkranken, bleibt oft lange funktionsunfähig. Forschende haben nun einen möglichen Grund dafür gefunden: Die Lunge dieser Personen vernarbt außergewöhnlich stark – ähnlich wie bei einer Lungenfibrose. Fresszellen des Immunsystems scheinen dabei eine zentrale Rolle zu spielen.

Ist die Lunge durch eine COVID-19 Erkrankung so schwer geschädigt, dass der Körper nicht mehr genügend Sauerstoff aus der Luft aufnehmen kann, sprechen Fachleute vom Acute Respiratory Distress Syndrome, kurz ARDS. Patient:innen müssen dann oft lange künstlich beatmet werden. Aber warum bleibt das Lungenversagen bei COVID-19 so lange bestehen?

Einen Hinweis gibt die aktuelle Studie, die in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht wurde: In Lungengewebeproben von verstorbenen COVID-19-Patient:innen zeigten sich enorme Schäden: Die Lungenbläschen waren weitgehend zerstört und ihre Wände deutlich verdickt. Außerdem entdeckten die Forschenden große Ablagerungen von Kollagen – ein Hauptbestandteil von Narbengewebe. All dies sei charakteristisch für eine schwere Fibrose, so ihre Einschätzung

Wie kommt es zur Vernarbung bei COVID-19-Lungenversagen?

Beim Blick auf die zellulären Mechanismen zeigte sich, dass Makrophagen, die sogenannten Fresszellen unseres Immunsystems, beim Vernarbungsprozess scheinbar eine zentrale Rolle spielen. Normalerweise beseitigen diese Zellen eingedrungene Erreger und sind auch an der Reparatur von Geweben beteiligt. Überraschenderweise zeigten die Makrophagen bei schwerem COVID-19 jedoch ähnliche Eigenschaften wie bei einer chronischen Form der Lungenvernarbung, der idiopathischen Lungenfibrose. Die Immunzellen traten mit bestimmten Zellen des Bindegewebes in Kontakt, die für die Bildung von Narbengewebe verantwortlich sind. Diese vermehrten sich anschließend stark und produzierten große Mengen Kollagen.

In weiteren Untersuchungen in Zellkultur entdeckten die Forschenden außerdem, dass SARS-CoV-2 selbst die Fresszellen scheinbar umprogrammiert. Dazu stimulierten sie gesunde menschliche Fresszell-Vorläufer mit dem Coronavirus. Die Immunzellen produzierten daraufhin verstärkt Botenstoffe, die Vernarbungsprozesse einleiten, ganz ähnlich wie bei einer idiopathischen Lungenfibrose. Interessanterweise konnten sie den Effekt nicht beobachten, wenn sie die Makrophagen mit einem Grippevirus stimulierten.

Parrellelen zwischen COVID-19 und dLungenfibrose, aber doch Unterschiede 

Die Daten würden eindeutig Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose aufzeigen, schlussfolgert das Team. Es gäbe jedoch einen entscheidenden Unterschied: Bei COVID-19 sei die Vernarbung zumindest potenziell rückgängig zu machen – darauf deuten CT-Bilder hin.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen daher nun genauer untersuchen, welche zellulären Prozesse die Fibrose zurückbilden. Wenn sie diese Vorgänge besser verstehen, könnten sie in Zukunft nicht nur COVID-19-Betroffenen, sondern auch Patientinnen und Patienten mit bisher unheilbarer Lungenfibrose helfen, so ihre Hoffnung.

Quellen:

  • Charité – Universitätsmedizin Berlin: Studie zeigt ausgeprägte Vernarbung der Lunge durch gestörte Immunreaktion. Pressemeldung vom 30.11.2021 
  • Wendisch D. et al.: SARS-CoV-2 infection triggers profibrotic macrophage responses and lung fibrosis. In: Cell (2021), doi: 10.1016/j.cell.2021.11.033