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Sauerstoff aus der Spritze

Mit Mikropartikeln ist es Forschern des Boston Children’s Hospital gelungen, Sauerstoff direkt ins Blut zu verabreichen und damit die Atmung kurzfristig zu ersetzen. Von dem neuartigen Verfahren könnten Notfallpatienten mit lebensbedrohlichen Atemproblemen profitieren, so die Hoffnung der Wissenschaftler.

 

Wenn ein Mensch nicht mehr atmen kann, etwa wegen eines akuten Lungenversagens oder weil seine Atemwege verschlossen sind, ist Zeit der entscheidende Faktor. Gelingt es nicht, innerhalb von fünf bis maximal zehn Minuten, die Atmung wieder herzustellen oder den Patient an eine Herz-Lungen-Maschine anzuschließen, tritt unweigerlich der Tod ein. Seit John Kheir, Mediziner im Boston Children´s Hospital, dies 2006 bei einem Mädchen mit schwerer Lungenentzündung erlebt hat, forscht er daran, das Blut unter Umgehung der Lungen mit Sauerstoff anzureichern.

Jetzt haben Kheir und sein Team einen möglichen Weg gefunden. Die Wissenschaftler entwickelten eine Emulsion aus Mikropartikeln, bei denen eine Hülle aus Fettmolekülen eine winzige Sauerstoffblase umschließt. Per Infusion oder Spritze ins Blut gebracht, verteilen sich die nur zwei bis vier Mikrometer großen Mikropartikel, zerfallen dann und setzen dabei den Sauerstoff frei.

Erprobt haben die Wissenschaftler ihr neuartiges „Transportsystem“ in Versuchen mit Kaninchen. Die Ergebnisse wurden jetzt im Fachblatt Science Translational Medicine vorgestellt – und klingen durchaus viel versprechend. So brachte bei Tieren mit Sauerstoffmangel eine einzelne Injektion der rasierschaumähnlichen Suspension die Sauerstoffsättigung innerhalb von wenigen Sekunden von – mangelhaften 70 Prozent wieder auf annährend normale Werte von über 90 Prozent. In einem weiteren Versuch war die Luftröhre der Tiere komplett blockiert. Durch Infusion der Mikropartikel konnten die Tiere 15 Minuten ohne einen einzigen Atemzug am Leben gehalten werden. Nebenwirkungen wie Luftembolien, die etwa bei direkter Gabe von Sauerstoff in die Vene auftreten können, blieben aus.

Ob die Methode auch für den Einsatz beim Menschen in Frage kommt, muss noch geprüft werden. Längerfristige Infusionen sind laut Studienleiter Khier nicht möglich, weil die Menge an Flüssigkeit, in der die Mikropartikel gelöst sind, dann im Verhältnis zum Blutvolumen zu groß wäre. Doch der Forscher hofft, mit der Suspension Patienten ohne Atmung bis zu 30 Minuten am Leben erhalten zu können. Damit ließe sich das enge Zeitfenster bei der Versorgung von Notfällen entscheidend verlängern.

Quelle:
Khier, J.N. et al.: Oxygen Gas–Filled Microparticles Provide Intravenous Oxygen Delivery. In: Science Translational Medicine, 2012, 4(120), S. 140ra88