Zum Hauptinhalt springen

Reparatur, Remodeling und Regeneration bei Lungenerkrankungen - Das Experten-Interview

Vom 21. bis zum 23. Juni fand in Gießen das Symposium "Reparatur, Remodeling und Regeneration" statt. Gemeinsame Veranstalter waren das University of Gießen and Marburg Lung Center (UGMLC) und das Deutsche Zentrum für Lungenforschung. Wir sprachen mit Herrn Prof. Dr. med. Harald Renz, Mitglied des Organisationskomitees.

Professor Renz, welcher Zusammenhang besteht zwischen Reparatur, Remodeling und Regeneration bei Lungenerkrankungen?

Ein sehr enger. Letztlich sind Remodeling und Regeneration die zwei Seiten derselben Medaille. Wenn es in der Lunge zu Schädigungen kommt, werden Reparaturprozesse in Gang gesetzt. Der Wunschzustand ist die Regeneration. Das heißt, eine komplette Reparatur des Gewebes mit Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit. Nur leider gelingt die Regeneration nicht immer. Stattdessen kommt es dann zu einem krankhaften Umbau der Lunge. Dieses so genannte Remodeling ist also das Resultat einer fehlerhaften Reparatur von Lungenschäden, die Regeneration das einer gelungenen.

 

Weshalb ist das Symposium gerade diesem Thema gewidmet?

Weil es sich um ein Querschnittsthema handelt. Man weiß inzwischen, dass Remodeling bei einer Vielzahl von Lungenerkrankungen eine zentrale Rolle spielt – von Asthma über COPD und Lungenemphysem bis zur Lungenfibrose. Die Wissenschaftler, die an den jeweiligen Krankheitsbildern forschen, können also voneinander lernen. Das Symposium will Forscher aus unterschiedlichen Gebieten zusammen bringen und den Austausch fördern

 

Ist in der Lungenforschung mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig?

Sie ist notwendig und wird auch praktiziert. So arbeiten bei uns am UGMLC 75 Wissenschaftler, vom Grundlagenforscher bis zum Kliniker, fächerübergreifend zusammen. Das gesamte Deutsche Zentrum für Lungenforschung, zu dem wir als einer von fünf Standorten gehören, ist nach dem Prinzip der Interdisziplinarität organisiert. Gerade das Remodeling als gemeinsame Endstrecke verschiedener Lungenerkrankungen macht deutlich, dass es zwischen den Krankheitsbildern Parallelen gibt. Die dahinter stehenden Prozesse zu entschlüsseln, kann die Lungenheilkunde entscheidend voran bringen, erfordert aber die interdisziplinäre Zusammenarbeit.

 

Wo steht die Wissenschaft dabei im Moment?

In Bezug auf Regeneration noch relativ am Anfang. Wir wissen noch nicht lange, dass Regeneration in der Lunge überhaupt möglich ist, und dass Stamm- und Vorläuferzellen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Jetzt geht es darum, zu verstehen, welche Mechanismen und Signalwege dahinter stecken, welche Zellen beteiligt sind, und wie die Vorläuferzellen dazu angeregt werden, sich zu funktionsfähigem Gewebe zu entwickeln.

 

Welche Perspektiven könnten sich dadurch eröffnen?

Ein Problem in der Therapie von Lungenerkrankungen besteht darin, dass das Remodeling bislang unumkehrbar ist. Wenn es also gelingt, diese Umbauprozesse zu verhindern, etwa bei Asthma, hätte man eine neue, effektivere Therapie. Noch viel versprechender wäre, die Schäden wieder rückgängig zu machen durch gezielte Anregung der körpereigenen Regenerationsfähigkeit oder durch eine Therapie mit Stammzellen.

 

Lungenregeneration - Hoffnung oder Hype? fragte unlängst ein renommierter US-Forscher in einem Fachartikel. Was sagen Sie?

Bis regenerative Therapieansätze den Patienten zu Gute kommen, wird es wahrscheinlich noch dauern. Aber ich glaube in einigen Jahren wird die Behandlung von Lungenerkrankungen basierend auf dem zunehmenden Verständnis von Reparatur, Remodeling und Regeneration entscheidende Fortschritte machen. Die dahinter stehenden Prozesse werden jetzt intensiv erforscht. Das große wissenschaftliche Interesse zeigen auch die gut 300 Anmeldungen für unser Symposium.

 

Sie haben viele international führende Forscher als Sprecher gewonnen?

Das freut uns natürlich. Ich bin gespannt auf den Vortrag von Peter Barnes vom Imperial College in London. Er hat mit seinen Forschungsarbeiten gezeigt, dass Asthma und COPD viele Gemeinsamkeiten aufweisen, gerade bei den chronischen Entzündungsprozessen, die zum Remodeling führen. Vielleicht noch mehr freuen uns aber die 110 eingereichten Abstracts, in denen vor allem junge Wissenschaftler ihre Forschungsarbeiten vorstellen. Das zeigt, dass das Thema auch für den Nachwuchs spannend ist.